Wenn Heinz Strunk an seinem Lesetisch Texte vorträgt, dann haut er auch mal auf den Tisch. Etwa dann, wenn Andreas und Claudia – die Antihelden seiner ersten Story – Frust schieben, weil sie beim Stammgriechen ihre geliebten Kroketten nicht bekommen. Dass ihnen ihr Stammwirt Phileas aus lauter Verzweiflung einen Ouzo nach dem anderen anbietet, rettet die Situation auch nicht mehr: „Kroketten sind aus, tut mir leid! WIE, AUS?! Andreas und Claudia fällt alles aus dem Gesicht. Wie bitte, jetzt schon, noch vor Ende der Tagesschau? Sorry, tut mir wirklich leid, aber dafür gibt’s zum extra Ouzo noch einen extra Ouzo.“ Die längste Geschichte des neuen Strunk-Erzählbandes „Der Gelbe Elefant“ lautet folgerichtig auch: „Kroketten“. Sie handelt von einem langweiligen Pärchen, das im Urlaub ein anderes langweiliges Pärchen kennengelernt hat. Man kann es sich vorstellen, der Abend geht in die Hose. Man hat sich nichts zu sagen, man sollte sich eben nie! nie! nie! mit Urlaubsbekanntschaften treffen. Vielleicht hätte man den lauen Abend irgendwie noch ertragen können, aber die Kroketten, die heißgeliebten Kroketten, dass sie die nicht bekommen haben, verkraften die beiden nicht. Da fällt alles in sich zusammen. Den Gästen im Brand Store bleiben bei dieser Geschichte zwar die Kroketten im Hals stecken, nicht aber das Lachen. Und trotzdem: So lustig das MiniDrama ist – wer kennt das nicht? Die Banalität und Tristesse des Alltags. Und auch wenn der Autor selbst, wie er im Interview zugibt, viel Sympathien für Außenseiter hat, so hat er doch großen Spaß daran, seine spießigen Charaktere bloßzustellen. Einfach weil. Strunk und seine Romanfiguren. Da ist er gnadenlos. Auch gegen sich selbst. So auch bei seinem Sensationsdebüt vor 20 Jahren. Denn im autobiographisch angehauchten Landjugend-Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ ist ja er der Loser. Es geht um einen Kerl Anfang 20, der nicht weiß, was er im Leben will. Außer dass er Profi-Musiker werden möchte, nur ist dieser Traum so weit weg von seiner Realität wie seine Heimatstadt Harburg von Los Angeles. Also wird er Musiker in einer Tanzkapelle, die sich Tiffany’s nennt und in rosafarbenen Show-Anzügen auf Hochzeiten, Weihnachtsfeiern und Betriebsfesten miefige Festsäle von Delmenhorst bis Bispingen bespielt. Erschwerend kommt hinzu, dass er mit schwerer Akne zu kämpfen hat, was ihn zum völligen Außenseiter macht. Und zum liebenswerten Helden. So ist Strunk. Ehrlich. Auf spezielle Art herzlich. Und vor melancholischer Heiterkeit strotzend. Ein wunderbarer Gesprächspartner, der es nicht nötig hat, sich zu verstellen. Aber so leicht und flockig dahingeschrieben, wie das alles wirkt, ist es nicht: „Je leichter etwas im Ergebnis klingt, desto schwerer ist es, das herzustellen.“ Ob die Schriftstellerei ein Traumjob ist? „Nein. Höchstens hinterher, wenn es fertig ist.“ So ist das mit den Träumen. Man sucht sie sich nicht aus. Apropos Träume: Die anderen Storys, die Strunk vorliest, ähneln eher Alpträumen. In „Der erledigte Experte“ sitzt einer bei Markus Lanz in der Talkshow und kommt nicht ein einziges Mal „dran“. Kafka hätte seine Freude gehabt. Und dann das „Teemännchen“: Ein Mann eröffnet einen Teeladen in einer C-Lage, in den sich kein einziger Kunde verirrt – bis er ihn wieder zumacht. Aber nicht, ohne sich zuvor bei seinen abwesenden Kunden für die Treue zu bedanken. Dafür widmet Strunk dem Teemännchen nach der Lesung seine berühmte Live-Flötenperformance. Die Musik rührt alle an, die vor Ort sind. Manche Träume führen in die Sackgasse. Andere führen ans Ziel. Strunks Traumpfad liegt irgendwo dazwischen. Aber das hindert ihn nicht daran, ein Projekt nach dem anderen voranzutreiben, sei es „Last Exit Schinkenstraße“, eine neue Serie auf Amazon Prime, die er geschrieben hat und in der er mitspielt, oder der „Zauberberg 2“, eine Art Fortsetzung des berühmten, mitunter bleischweren Thomas-Mann-Romans. Statt in die Lungenheilanstalt im Schweizer Hochgebirge zieht es ihn in die platte Provinz von Mecklenburg-Vorpommern. Die Fahrt dorthin hat er übrigens in einem Porsche Taycan angetreten. Man stellt sich ihn vor, wie er über Land fliegt und Ideen einsammelt – für seine nächsten Storys. Wir freuen uns darauf. Er ist die graue Eminenz des deutschen Humors. Nein, das passt nicht, dafür wirkt Heinz Strunk trotz gepflegter Klamotte zu jugendlich. Ein Hagestolz mit messerscharfem Blick. Nun, das trifft es auch nicht ganz, selbst wenn er ein Faible für eigentümliche Worte hat. Der Seher, der seinem Publikum den Spiegel vorhält. Mag sein, aber sich selbst nimmt er auch nicht ganz so ernst. Der Typ, der die deutschsprachige Literatur vor 20 Jahren mit seinem ersten Bestseller aus ihrer verstockten Haltung befreit hat … Ja, hat er, ohne Frage. Egal. Heute machen wir es uns einfach: Heinz Strunk ist der Mann, der neulich zu Interview und Lesung im Porsche Brand Store war. Die Gäste des Dream Talks? Hat er bestens unterhalten. Hier erfahren Sie alles über den Porsche Brand Store. KROKETTEN SATT. KULT-AUTOR HEINZ STRUNK BEIM DREAM TALK IM PORSCHE BRAND STORE. TRÄUME UND TRÄUMER 57
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